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Zentrum für HochschulBildung
Podcast "Schon gehört?" | Folge 5

ChatGPT & Co. – Potenziale und Herausforderungen aus Studierendensicht

Autorinnen: Laura Schulte, Wiebke Malin Peckedrath & Lara Pauls
Musik: Playground Fun by Ahjay Stelino/Mixkit.co | Dance with Me by Ahjay Stelino/Mixkit.co

In der fünften Podcast-Folge von "Schon gehört?" dreht sich alles um "ChatGPT & Co.", denn der Einsatz KI-basierter Tools ist ein spannendes Thema für Lehrende und Studierende. Daher sind unsere studentischen Mitarbeiterinnen gemeinsam mit Kommiliton*innen an der TU Dortmund folgenden Fragen auf den Grund gegangen: Welche Potenziale und Herausforderungen sehen Studierende bei KI-basierten Tools? Und welche Bedenken haben sie?

Download (mp3 – 12,6 MB)


Transkript der Folge 5: ChatGPT & Co.

Moderatorin: Laura
Interviewpartner*innen: Studierende der TU Dortmund (Namen geändert)

[Start Musik]

Laura: Hallo und herzlich Willkommen an alle Zuhörer*innen zu unserer 5. Podcast-Folge aus der Rubrik "Schon gehört?" mit mir, Laura.

[Ende Musik]

Laura: In den letzten Jahren haben KI-Tools zunehmend Einzug in das Arbeits- und Privatleben, aber auch ins Studium gehalten. Die mediale Diskussion rund um Chatbots wie dem bekannten ChatGPT ist lebhaft und kontrovers. Einige sehen darin einen Weg, den Zugang zu Bildung zu demokratisieren und personalisiertes Lernen zu ermöglichen. Andere hingegen befürchten, dass diese Technologien traditionelle Lehrmethoden ersetzen könnten und dadurch menschliche Interaktion und kritisches Denken beeinträchtigt werden.
In dieser Podcast-Folge möchten wir daher Studierenden der TU-Dortmund die Möglichkeit geben, ihre Gedanken und Erfahrungen zu verschiedenen Aspekten von KI-basierten Tools in der Hochschullehre zu teilen.
Wie sich gezeigt hat, variieren die Erfahrungen der Studierenden stark. Während einige noch gar nicht mit KI-basierten Tools gearbeitet haben, nutzen andere diese sowohl im privaten Bereich als auch für das Studium und die Arbeit, allerdings mit verschiedenen Schwerpunkten. Hören wir einmal rein, was eine Studentin uns dazu erzählt hat:

Studentin Merle:

Also, da gibt es definitiv einen Unterschied. Privat hauptsächlich zum Beispiel zum Reisen planen, oder was ja gerade total im Trend ist, ist zum Beispiel Ernährungspläne irgendwie erstellen lassen unter bestimmten Bedingungen, das habe ich auch einfach mal ausprobiert. Jetzt im Kontext zum Beispiel für die Arbeit, da habe ich eher E-Mails mit schreiben lassen oder zum Beispiel Instagram-Posts umformulieren lassen, damit die einfach besser klingen. Und für die Uni halt ganz viel zum Recherchieren, also wenn ich mal irgendwie nicht wirklich eine Ahnung hatte, zum Beispiel was ist "Financial Modelling", dann konnte man ganz schnell bei ChatGPT reinhüpfen und da kam dann eine Erklärung bei raus.

Laura: Diese Aussage zeigt schon sehr unterschiedliche Einsatzmöglichkeiten von ChatGPT im Studium, Arbeits- und Privatleben. Fast alle der von uns Befragten haben bereits einen Chatbot genutzt oder zumindest damit experimentiert.
Es gibt jedoch auch Studierende, die der Nutzung solcher Tools kritisch gegenüberstehen. Geäußert wurde zum Beispiel die Sorge, dass es im Zuge der technischen Weiterentwicklung irgendwann vielleicht nicht mehr möglich sein wird, zwischen KI-generierten und menschlichen Texten zu unterscheiden. Ein Student beschrieb es als "gruselig", wie gut an manchen Stellen die Antworten von ChatGPT waren.
Neben der Nutzung solcher Tools in der Freizeit und bei der Arbeit, berichtete ein Student von ersten Erfahrungen mit ChatGPT im universitären Kontext, wo der Bot die Rolle eines digitalen Laborassistenten einnahm.

Student Lukas:

Ja, das war in dem Praktikum beispielsweise so, dass wir da, also das war ein thermodynamisches Praktikum und ein strömungsmechanisches Praktikum und da hatten wir dann, ja, um Problemstellungen zu lösen oder generell, um Zusammenhänge, naturwissenschaftliche Zusammenhänge, und Formeln zu verstehen, dann konnten wir ChatGPT sozusagen zu Rate ziehen, anstelle eines herkömmlichen Laborassistenten, den wir dann bei Fragen gebeten hätten. Und ja genau, so in diesem Rahmen ist das Ganze dann passiert, das heißt wir haben dann immer Fragen gestellt zu den Formeln oder so oder welche Gleichungen hier gelten und ja genau.

Laura: Dass Chatbots wie in diesem Fall unterstützend in der Lehre eingebunden werden, scheint laut Aussagen der Studierenden bislang allerdings eine Ausnahme zu sein, obwohl viele von ihnen, insbesondere bei ChatGPT, Potenzial für einen Einsatz in der Lehre sehen. So könnte der Bot zum Beispiel beim Lösen mathematischer Gleichungen erklärend unterstützen oder das Vergleichen von Texten vereinfachen. Auf der Seite der Lehrenden könnte der Bot beispielsweise verschiedene Aufgaben mit unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad generieren oder bei der Planung von Seminaren helfen.
In den Erzählungen der Studierenden wird zudem deutlich, dass Tools wie ChatGPT vor allem als nützlich empfunden werden, um sich neben einem ersten Einblick ins Thema verschiedene Ideen durch Brainstorming sammeln, sortieren und kategorisieren zu lassen. Ebenso kann die erste Themensuche für eine Hausarbeit mit ChatGPT erfolgen, um mögliche zu bearbeitende Themen ausfindig zu machen.
Trotz der oft genannten positiven Aspekte ist den Studierenden die Problematik, sich zu sehr auf die KI zu verlassen, bewusst. Ein Student äußerte sich dazu wie folgt:

Student Malik:

Ich glaube das Negativste, was passieren könnte oder das Schlimmste wäre, wenn man das kritische Denken dann wirklich einer KI überlässt, das wäre so das Worst-Case-Szenario, denke ich. Auf der anderen Seite kann es natürlich eine geistige Herausforderung sein, mit so etwas zu arbeiten und sich mal klarzumachen, dass es da eine Form von Wissensproduktion gibt, die jetzt ohne den Menschen auskommt, sage ich mal in Anführungszeichen. Denn natürlich ist die KI von Menschen geschrieben und sie arbeitet mit Datenbanken und lernt an denen, die ja auch von Menschen verfasst worden sind, es bleibt also bestehendes Wissen. Das ist ja auch die Gefahr, denke ich. Die KI ist ja nur dazu da, so wie ich es verstanden habe, Wissen zu reproduzieren, was bereits besteht und das dann vielleicht individuell neu umzuformen auf einer deskriptiven Ebene und das ist ja schon das Niveau, was wir bei Hausarbeiten und bei Bachelorarbeiten haben. Aber auf einer wissenschaftlichen Ebene ist die KI ohne den Menschen nicht in der Lage, neues Wissen zu generieren sage ich jetzt mal, zumindest aktuell noch nicht. Und deswegen glaube ich, dass es auch eine Herausforderung sein kann, mit einer solchen KI zu arbeiten und die weiterzuentwickeln und dass es auch für die Wissenschaft Mehrwert hat, einen großen, wenn man eben dort Regeln gefunden hat und ein klares Ziel vor Augen hat, wozu man es nutzen will.

Laura: Dieses Statement zeigt, dass es klare Regeln im Umgang mit KI braucht, die zwischen allen Beteiligten kommuniziert werden müssen. Es muss deutlich gemacht werden, welche Nutzung von KI noch akzeptabel ist und wo Betrug anfängt. Dies bringt uns auch zu der Frage, wie sich KI-basierte Tools auf Leistungsnachweise auswirken.
Schaut man sich den medialen Diskurs der letzten Monate an, wurde oft über den Einfluss von ChatGPT auf die Prüfungskultur an Schulen und Hochschulen gesprochen. Es stellt sich die Frage, welche Rolle in Zukunft Referate und Hausarbeiten spielen, wenn es möglich ist, diese vollständig von einem Chatbot generieren zu lassen. Auch darüber haben wir mit den Studierenden gesprochen und sie gefragt, mit welchen Änderungen sie rechnen.

Student Leonard:

Ja, interessante Frage auch mal wieder. Ich denke, gerade, dass sag ich mal die altmodischen Klausuren sich dementsprechend gar nicht anpassen müssen, weil wie ich ja vorhin schon gesagt hatte, für Klausuren kannst du damit meiner Blickrichtung nach nicht gut für lernen, aber ich glaube die Hausarbeiten, das muss sich oder wird sich jetzt ändern, weil das ist zu einfach. Also ich meine du kannst theoretisch deine ganze Einleitung oder deinen ganzen Hauptteil, alles von solchen KI-basierten Bots schreiben lassen und hast im Endeffekt nichts dafür getan, außer dass du vielleicht die Fragestellung konkretisieren musstest, aber mehr auch nicht. Deswegen denke ich mal, dass sich da was ändern wird. Ich vermute auch, ich weiß jetzt nicht, ob das auch zur Frage gehört, aber dass viel mehr in Präsenz getestet wird, in Form von mündlichen Prüfungen, weil sonst kannst du halt kein Wissen abfragen. In jedem Moment, in dem du was schreibst, kannst du dir als Professor sag ich mal nicht mehr sicher sein, dass es wirklich deine eigene Leistung ist.

 

Laura: Die Vermutung, dass sich Prüfungsleistungen, die bislang in Form von Hausarbeiten erbracht werden mussten, in Zukunft ändern werden, wurde von mehreren Studierenden geäußert. Ebenso wurde vermutet, dass in Zukunft mehr Prüfungen in Präsenz abgehalten werden, um dem Einsatz von KI-basierten Tools während einer Prüfung vorzubeugen. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund kontrovers, dass sich vor allem während Corona viel darum drehte, wie Prüfungen auch von zu Hause absolviert werden können.
Auch die Vorbereitung auf Prüfungen kann sich laut Aussagen der Studierenden in Zukunft ändern. Hier sehen sie vor allem Chancen hinsichtlich des Einsatzes von KI-basierten Tools bei der Prüfungsvorbereitung.

Studentin Nadja:

Also ich denke schon, in einem gewissen Maße, dass eben bei Hausarbeiten oder Präsentationen, dass man da eben nicht mehr so viel auf Eigenleistung setzen kann, weil es natürlich immer sein kann, dass der Studierende was mit einer Künstlichen Intelligenz erstellt hat und somit gar nicht hinter seinen eigenen Werken steht. Aber es kann auch sehr inspirierend sein, eben um neue Möglichkeiten kennenzulernen. Dann vielleicht auch zum Üben oder zum Vorbereiten für Prüfungen.

Laura: Ähnlich sieht das diese Studentin, die ebenfalls den Nutzen von ChatGPT zur Prüfungsvorbereitung hervorhebt.

Studentin Merle:

Ich denke, dass man die Materialien halt reintun könnte und sagen könnte, erstell mir einen Multiple Choice Test mit 4 Antwortmöglichkeiten, sodass man ChatGPT dafür zum Beispiel nutzen könnte eben so Probeklausuren selber zu erstellen, um sich selber testen lassen zu können.

Laura: Neben dem Abfragen auf der inhaltlichen Ebene, können solche Technologien auch auf einer organisatorischen Ebene dazu beitragen, dass Prüfungsphasen stressfreier verlaufen. So können sie maßgeschneiderte Lernpläne erstellen, in denen ein realistisches Pensum des Lernstoffs für jeden Tag vorgegeben ist.
Neben dem Aspekt der Prüfungskultur zeigte sich in den Interviews eine kritische Reflexion der Studierenden zum Bespiel bezüglich Literaturquellen, die oftmals von ChatGPT ausgehend von bestehender Sekundärliteratur erfunden wurden. Darüber hinaus machte ein Student auf folgende Erschwernis bei der Nutzung von ChatGPT aufmerksam.

Student Lukas:

Das Problem ist, also das ist mir weniger aufgefallen in dem Labor, sondern mehr auch in der privaten Nutzung, dass ChatGPT, ja, sagen wir mal immer sehr allgemein antwortet und wirklich Fragestellungen, die in die Tiefe gehen, also für mich persönlich überraschenderweise schon sehr gut beantwortet, aber es immer noch nicht so richtig ausreichend ist, gerade wenn es sehr spezifische Fragen sind. Und ChatGPT antwortetet meistens immer recht oberflächlich, was dann auch mit der Charakteristik des Chatbots an sich zusammenhängt, dass es im Prinzip ja eigentlich nur so die Ergebnisse selber aus dem Internet zusammengoogelt und recherchiert.

Laura: Insbesondere die in diesem Statement betonte Oberflächlichkeit der Antworten von ChatGPT wurde von mehreren Studierenden erwähnt. Sie führt dazu, dass der Bot gerade bei komplexen Sachverhalten oft kein zufriedenstellendes Ergebnis liefert. Als weiteren Aspekt wurde auch die mangelnde Zitierfähigkeit von KI-generierten Texten genannt, welche zwar oft einen guten Einblick in ein Thema bieten, sich aber dann nicht weiterverwenden lassen. Zudem wurde hervorgehoben, dass je nach Fragestellung eine Grundkenntnis der Thematik erforderlich ist, um die Fehlinformationen, welche ChatGPT teilweise generiert, zu erkennen.
Trotz der hier deutlich werdenden Risiken schätzen viele der Befragten insgesamt die Fähigkeit von ChatGPT, große Daten- oder Textmengen leicht verständlich wiederzugeben sowie die Möglichkeit, ChatGPT als Erschließungsweg für andere Programme zu nutzen. So berichtete zum Beispiel ein Student, dass er in seinem Studium häufig mit verschiedenen Designprogrammen arbeitet, die teilweise eine recht komplizierte Benutzeroberfläche haben, welche sich oft nicht auf den ersten Blick erschließen lässt. ChatGPT erfüllt an dieser Stelle dann die Funktion eines Handbuchs und kann so den Umgang mit dem Programm erleichtern.
Bei alledem findet eine Studierende, dass sich über die Nutzung von KI in Lehrveranstaltung kritisch auseinandergesetzt werden sollte. Es braucht einen lebendigen Diskurs.

Studentin Elisa:

Es ist natürlich erstmal eine große Verlockung. Ja, das ist eine KI, das ist ein Computer, der macht mir das Ganze ja so schön leicht, toll, dann muss ich weniger nachdenken. Das ist definitiv einer der ersten Gedanken, den man dabei hat, ja. Ich find’s nur sinnvoll, dann auch wirklich die Verantwortung in den Lehrveranstaltungen da sehen, dass da auch der kritische Blick nicht verloren geht. Also das kann man ja auch mit analoger Literatur vergleichen. Nur weil irgendwer Schlaues irgendwas geschrieben hat oder es ganz schlau klingt, muss es noch lange nicht irgendwie der Wahrheit entsprechen. Und an diesem kritisch-reflexiven Denken kann man ja auch anknüpfen und das Ganze eben auch in dem Umgang mit der KI mit einfließen lassen.

Laura: Sich einmal anzuschauen, wie ein Text aufgebaut ist und zu hinterfragen, auf Basis welcher Daten gewisse Texte zustande gekommen sind und warum dies eventuell problematisch sein könnte, sich also kritisch mit den generierten Texten auseinanderzusetzen, sollte aus studentischer Perspektive Bestandteil von Lehre sein. Studierende fordern zudem einen offenen Umgang damit zu pflegen und Risiken transparent zu thematisieren, direkt in Seminaren oder als zusätzliche Weiterbildung.
Wir möchten zum Schluss betonen, dass die hier dargestellten Äußerungen sich nicht verallgemeinern lassen, sicherlich aber einen kleinen und guten Einblick in die studentische Sichtweise verschaffen. Viele Studierende haben schon ihre ersten Erfahrungen mit dem Einsatz von KI gemacht und es bleibt spannend zu beobachten, wie sich dies in Zukunft entwickelt.

[Start Musik]

Laura: Wir hoffen, dass Ihnen diese Podcast-Folge gefallen hat! Falls Sie mal ein Thema haben, was wir aus studentischer Sicht beleuchten sollen, dann melden Sie sich gerne bei uns. Wir sind für Themenvorschläge immer sehr dankbar. Damit verabschieden wir uns bei Ihnen und bedanken uns herzlich fürs Zuhören. Bis zum nächsten Mal!

[Ende Musik]